Klimaanlage auf 27 Grad

 

Trotz Streik am Flughafen kamen wir – Sven Holgersson und ich – ohne Probleme nach Minusgraden zu Hause in einem Land an, in dem es 31 Grad im Schatten zu ertragen galt.

Schon die Temperaturunterschiede geben einen zaghaften Hinweis darauf, dass der Flug lang gewesen sein musste. Die ca. 11 Stunden konnten nicht mit dem Betrachten der Snoopy-Kissen der Luftfahrtgesellschaft oder dem Verarbeiten des Gelächters von französischen Reisenden am Flughafen über einen dort Angestellten aus Amerika namens Hr. Olala vollends ausgefüllt werden. Nur gut, dass der Hinflug ein Nachtflug war. Ich befürchtete vor dem Schlafen allerdings, dass die üblichen Situationen am Flughafen mich im Traum noch einmal heimsuchen würden. Ein Nichterreichen der Traumphase bewahrte mich jedoch vor dem nochmaligen Erleben des möglichst cool erscheinen wollenden Typens mit hochgestelltem Kragen und vor den krampfigen Gesprächen zwischen Reisenden (im Folgenden XY), die sich gegenseitig Tipps geben wollten, dies aber nicht schaffen konnten, da alle das Reiseziel schon kannten. Ich schlief also ohne Traumbelästigung und überschlief sogar das Angebot von Kopfhörern für sage und schreibe 3,50 Euro. Meine normalen und passenden Kopfhörer habe ich in den Wachphasen nutzen müssen, denn ein Teil der XY-Reisenden saß in der Reihe neben mir. Nicht nur einmal hatte ich mit offenen Augen einen Alptraum : XY im Urlaub beim Frühstücken an unserem Tisch.

Dann war es soweit. Glücklich über den hinter uns liegenden Flug, über das schöne Wetter, die frühe Stunde und mit Vorfreude auf den Urlaub standen wir entspannt aber mit schmerzenden Hinterteilen in der Schlange für die Passkontrolle. Mehrmals fragten die hinter uns stehenden XY laut, warum es so lange dauert… Noch nie hätten sie erlebt, dass es so lange dauert… warum dauert es bloß so lange … noch nie… Mir lag auf der Zunge, dass ich im Urlaub wahrscheinlich nicht frühstücken werde. Da Sven Holgersson diese Kundgebung ohne Erläuterung nicht hätte verstehen können, sprach ich meine Gedanken nicht aus.

Mit einem Kleinbus wurden wir zu unserem kleinen Hotel gefahren – ohne auch nur eine Person der XY-Reisenden. Meine Müdigkeit wurde durch die Freude darüber gänzlich ausgeschaltet. Ich sagte Sven Holgersson strahlend, dass ich mich auf  sämtliche Frühstücke im Urlaub freuen würde und staunte dann auch – aber über den blauen Himmel, die Wärme, die farbenprächtige Natur, die Rohrzucker – und Teeplantagen und die sichtbaren unterschiedlichen Glaubensrichtungen der Einheimischen. Im Hotel angekommen tranken wir todmüde den fruchtigen Begrüßungstrunk und lauschten fast teilnahmslos den Informationen über das Hotel. Auf die Frage „Any questions ?“ antworteten wir wie aus einem Munde mit „No thank you.“. Fragen anderer waren nicht zu befürchten, denn wir waren die einzigen Neuankömmlinge.

Nach der Willkommensdusche und der Inspektion des Wohnbereiches ging es uns soweit gut, dass wir zur weiteren Erkundung das Hotelgelände verließen. Keine 5 Minuten dauerte es bis zum Meer, welches wir nun erstmalig mit den Füßen begrüßen konnten. Die Gestade war ein Traum. Unser weiterer von der Sonne begleiteter Fußmarsch führte uns nicht zufällig zu einer Tauchbasis. Da niemand ausser uns in dieser kleinen und chaotisch anmutenden Basis anwesend war, gingen wir wieder, um unseren Hunger zu stillen. Wir landeten an einer kleinen reich verzierten Kochbude am Strand und warteten bereits urlaubsentspannt ca. 1,5 Stunden auf unser Essen. Für wenig Geld hatten wir uns „Krebs-Curry“ bestellt. Wir waren erstaunt als die Köchin uns das Essen an den Biertisch brachte. Sie kam und ging nicht nur einmal. Die großen Teller waren mit Klecksen von Kartoffelsalat, Blattsalat, Kohlsalat und etlichen kleinen Krebsen mit brauner Currysauce garniert. Ob des fehlenden Platzes für den Reis auf den Tellern kam dieser in einer Extraschüssel. Auch die von uns belächelten Zitronenwasserschälchen kamen mit etlichen Servietten extra. Der Verlauf des Essens wurde durch einen Tipp der Köchin unterbrochen. Der Tipp bezog sich auf die Krebse. Der Anweisung folgend bissen wir direkt in die Krebse hinein und siehe da –  so waren sie essbar. Dann eben mit Panzer. Fast hätten wir nach noch mehr Servietten und Zitronenwasser fragen müssen. Gesättigt konnten wir uns anschließend zum Tauchen anmelden.

Abends waren wir etwas zu früh beim Buffet. Unser abendliches Anstoßen auf den Urlaub zogen wir kurzentschlossen  und unbedacht vor. Meinen Cocktail hatte ich mir grünlich vorgestellt. Der Saft war aber so minimal in dem Curacao, dass er eine Farbveränderung nicht bewirken konnte.  Es war letztlich kein wünschenswerter Zustand, sich nicht mehr nüchtern an einem Buffet selbst bedienen zu müssen.

Am nächsten Morgen – auch die verspeisten Krebse tauchten in meinen Träumen nicht auf –  sahen wir nicht nur, wie die Tochter einer Urlauberfamilie verschämt ein mitgebrachtes Nutella-Familienglas auf den Tisch stellte sondern wir wurden auch pünktlich vor dem Hotel mit all unserem Tauchgerödel von einem Mitarbeiter der Tauchbasis abgeholt. Unser erster Eindruck der Basis bestätigte sich als wir bereits im fahrenden Tauchbötchen saßen und immer noch nicht wussten, wer von den anderen Anwesenden ein Guide sein sollte. Entspannt ließen wir alles einfach geschehen. Womöglich etwas zu entspannt, denn wir vergaßen beide unsere Computer an der Basis. Nur gut, dass wir wider aller kompakter Technik Finnimeter extra angeschlossen haben und die Uhr von Sven Holgersson einen Tiefenmesser hat. Wir konnten also abtauchen. Jemand anderem ist an unserer Ausrüstung nichts aufgefallen. Auch unter Wasser war es ca. 25 Grad wärmer als zu Hause. Wirklich farbenprächtig war es unter Wasser nicht – aber was zu sehen war, konnte durchaus genossen werden. Nach den Tauchgängen wurde uns angeboten, uns wieder zum Hotel zu fahren. Dankend lehnten wir ab, denn wir wollten auf dem Weg zurück etwas essen. Durch das Unterschätzen beziehungsweise völlige Verdrängen von Parametern wie Tragelast (Kameras), Sonneneinstrahlung, Wärme und der Wegstrecke kamen wir irgendwann mit gefüllten Mägen und nach einem Obsteinkauf am Straßenrand völlig erledigt im Hotelzimmer an. Uns wurde bewusst, dass wir diesmal etwas länger brauchen würden, um uns an das Klima zu gewöhnen. Farblich verändert und reichlich eingeschmiert mit Aftersun aßen wir abends im Hotel köstliche Speisen und freuten uns auf weitere Tauchgänge, auf Erkundungen der Insel und auf abendliche Sun-down-Aufenthalte am Strand.

Tatsächlich sahen wir in den folgenden Tagen das erste Mal Flügelrossfische unter Wasser, versuchten Rechts-vor-Links-Regeln umgekehrt für den herrschenden Linksverkehr anzuwenden, waren froh über die Automatik des Mietwagens und staunten nicht schlecht über das, was die Insel zu bieten hat.

Beim Betreten des Botanischen Gartens wurde uns ein deutschsprachiger Guide angeboten. Aus Erfahrung lehnten wir das günstige Angebot nicht ab und schlossen uns einer kleinen Gruppe an. Es stellte sich heraus, dass es keine Gruppe von ausschließlich Deutschen war. So hatten wir immer noch die Chance, seine Erklärungen auf einer anderen seiner 3 Sprachen zu verstehen, wenn das Deutsche unverständlich war. Als wir beim Lotusteich ankamen hätte er chinesisch sprechen können. Es bedurfte keinerlei Beschreibung der Eigenart der Blätter, denn es fing zur Demonstration an zu regnen. Beeindruckt von rosafarbenen Eiergelegen der Wasserschnecken, Ein-Tages-Blüten, die über den Tag die Farbe wechseln und von einer Baumart, die männliche und weibliche Bäume aufwies, verließen wir den Park durch die Sonne wieder fast im trockenen Zustand.

Von Eindrücken und der Wärme erledigt kam es ab und an vor, dass man uns am Pool liegen sehen konnte. Auch dort gab es einiges zu beobachten. Zum Beispiel Hirtenstare, die vermutlich ihren weiteren Tagesablauf diskutierten. Einer saß dafür auf einer Rückenlehne eines Pool-Stuhles und leitete die Diskussion. Die anderen 3 waren offensichtlich und hörbar nicht alle seiner und einer Meinung. Aufgeplustert und mit den Flügeln gestikulierend machten alle nacheinander der eigenen Meinung Luft. Die Diskussionsrunde löste sich auf, indem 2 davon flogen und 2 davon spazierten. Dieses merkwürdige Verhalten erinnerte uns an ein weiteres Tier, welches sich merkwürdig verhielt. Unter Wasser kam aus der Ferne ein Fledermausfisch auf Sven Holgersson zugeschwommen. Es schienen die Farben des Kameragehäuses zu sein, die den Fisch denken ließen, ein Artgenosse sei anwesend. Der Fisch erzählte unhörbar ganz viel und machte dem Gerät schöne Augen. Dies dauerte minutenlang an – bis ein wirklicher Artgenosse auftauchte. Als ob der Fledermausfisch einen Schreck bekam, harrte er erst in einer Art Starre aus, um dann doch glücklich mit seinem neuen Kumpel von Dannen zu schwimmen. Wir verkniffen es uns, lächelnd und dankbar um die schönen Aufnahmen, hinterher zu winken.

Nicht nur die Tierwelt ist im Urlaub anders als zu Hause sondern auch die Probleme der Gartenbesitzer. So hatte der Chef der Tauchbasis einen Überhang an Mangos und verteilte einige unter den Gästen. Auch die Welt der Dekoration weist hier und da Unterschiede auf. Die vermeintlich leere Vase in unserem Badezimmer zum Beispiel stellte sich als Zahnputzhalter heraus und das daneben stehende Cola-Glas als Vase. Wenn man dann abends an der Bar seinen Cocktail aus einem Cola-Glas trank, konnte man sich ein Schmunzeln erst noch verkneifen – bei Einsetzen der Wirkung des Alkohols aber nicht mehr. Die Idee, dass man doch das Linksfahren zunächst per pedes üben sollte, sorgte bei Verdeutlichung der Umsetzungsmöglichkeiten samt Beifahrer für zusätzliche alkoholisierte Lachanfälle.  Auch die von uns obendrein noch einmal in Worte gefasste Bonus-Geschichte unseres Mietwagens stieß bei uns ebenfalls auf Empfindungen, von denen man sich nur lachend befreien kann.  Der Autoschlüssel war leer war und wir standen ungläubig hinter dem Wagen und vor einem Problem. Unter Nutzung des normalen Schlosses ließ sich der Wagen zwar öffnen – aber mit dem Ergebnis, dass die Alarmanlage anging. Und wo ? Mitten im Naturschutzpark. Gefühlte Stunden später und nach Durchlesen der Betriebsanleitung war aus unerklärlichen Gründen nicht nur der Alarm bald aus sondern auch die Wegfahrsperre wieder aufgehoben. Wir konnten uns nach tatsächlich ca. 10 Minuten vom Ort des Geschehens entfernen – das Piepen der Alarmanlage immer noch in den Ohren … und in den Rückspiegel blickend. Wir hatten irgendwie die Befürchtung, dass sich eine wütende Tierhorde an uns rächen will und dafür in jeder Sekunde aus dem hinter uns liegenden Wald stürmen würde.An einem späteren Besichtigungspunkt konnte uns schließlich ein Schildkröten-Matsch-Pupser wieder schmunzeln lassen. Die Töne der Alarmanlage waren nun gänzlich aus unseren Ohren verschwunden.

Die Hitze lähmte uns in manchen Vorhaben. Auch Tiere suchten überwiegend Schatten. Für einen dog war es ebenfalls zu hot. Er fand einen draussen stehenden Ofen ohne Klappe und legte sich ins Dunkle. Guten Mutes gingen wir eines Abends los, um am Strand spazieren zu gehen.  Noch vor Betreten des Strandes landeten wir aber auf einer Bank im Schatten und genossen einfach die Aussicht. Zumindest versuchten wir dies, denn eine ostasiatische Großfamilie – bewaffnet mit kleinen extra Sitzgelegenheiten –  versuchte krampfhaft und laufend die allerallerbeste Bank zu finden. Die Hitze schien ihnen nichts auszumachen.

Einmal schlief Sven Holgersson länger als ich. Ich weckte ihn nicht auf sondern vertrieb mir die Zeit auf dem Balkon. Irgendwann sah ich durch die Scheiben, dass er seine Sportsachen anhatte und sich winkend zum Laufen verabschiedete. In der Dunkelheit kam der Sportler wieder. Mit erstauntem Gesichtsausdruck machte er die Balkontür auf und fragte mich, ob es sonst um diese Zeit auch noch dunkel gewesen wäre. Ich antwortete einfach mit ja und dachte mir, dass er wohl seine Wortwahl nach der Anstrengung nicht mehr ganz im Griff haben konnte. Sven Holgersson holte sich etwas zu trinken und setzte sich mit auf den Balkon. Er berichtete erstaunt, dass am Strand total viel los gewesen sei und am Hotelpool zwei auch schon Cocktails serviert bekommen haben. Er bewertete dies als „verrückt“ und ging duschen. Ich blieb etwas ratlos zurück und hörte, wie er kurz darauf sein Duschen unterbrach. Er stand plötzlich neben mir und sagte ganz leise, dass es ja abends sei. Bevor ich ihm zustimmte, sagte ich ihm, dass ich anfangen würde, mir Sorgen um ihn zu machen. Alles war aber halb so wild, denn er dachte nach seinem langen Mittagsschlaf, dass es morgens und nicht abends sei. Er hätte sich schon gewundert, was ich so früh auf dem Balkon mache … und darüber, dass ihm nicht eingefallen ist, was er am vergangenen Abend gemacht hätte. Ich sagte „Guten Morgen“ und meinte, dass er am Frühstücksbuffet sich nicht über die Salatbar wundern sollte. Ausserdem hätten wir wohl wirklich Pech mit dem Wetter – so dunkel um diese Uhrzeit – das könne nur auf ein riesiges Unwetter hindeuten. Nach dem Abendessen bestellte ich mir einen Tequila Sunrise.

Sven Holgersson hatte durch seine Aktion letztendlich 2 zusätzliche Urlaubstage – ich nur den 29.2..

Wieder zu Hause angekommen waren wir froh, zumindest durch Einschalten der Heizung ca. 27 Grad Wärme erleben zu können. Mittagsschläfchen fallen aus Zeitmangel aus.

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